Laufbericht von Rainer Leyendecker

Rainer Leyendecker – erster Finisher der Bavarian 10 Lakes Challenge in 2016

Mein Erfahrungs- und Erlebnisbericht für euch:

Alles begann mit einem Zufall !

Am 9. März traf ich mich mit meinem chinesischen Ultralauffreund Jin Cao, der seit Jahren in Oslo lebt und beruflich in München zu tun hatte. Wir nahmen uns frei, um bei kühlem Sonnenwetter die Strecke des 30 km Isarlaufes von Bad Tölz aus abzulaufen. Dabei erzählte er mir, er hätte im Web etwas von dieser BLC gelesen und da wolle er mitmachen und in möglichst kurzer Zeit als Solist alle 10 Seen umrunden. Das klang auch für mich originell und ich sagte spontan zu, dass wir diese Herausforderung mal gemeinsam angehen sollten. Vorm Abendessen zuhause in Holzkirchen bei meiner Frau Marlyn checkte ich die Website von Matthias und beim Verdauen machten wir schon erste Pläne, in welcher Reihenfolge wir die Seen wo anpacken sollten und wie es um das Highlight Königssee steht. Wir einigten uns ruckzuck für unser Projekt auf ein verlängertes Pfingstwochenende vom 13. bis 16. Mai und Jin Cao buchte sich gleich mal im Web passende Flüge zwischen Oslo und München. Unser Basecamp sollte unsere kleine Wohnung sein mit Marlyn als unserer versierten Köchin.

Aller Anfang ist schwer !

Jin Cao flog bereits am 12. Mai ein und umrundete abends schon mal den Tegernsee, während ich noch im Büro arbeiten musste. Die Wetterfrösche verhießen nichts Gutes fürs Wochenende – Dauerregen bei kühlen Temperaturen und somit Neuschnee rund um den Königssee. Das absolute Highlight als Finale war schon mal gestorben und auf später verschoben. Auch befreundete Bergsteiger meinten vorher schon, bei Schnee könne man so eine Tour nur mit Skiern machen, aber nicht zu Fuß. Freitag Morgen fuhren wir mit meinem Auto zuerst zum Waginger See, den wir vom Nordwestufer aus im Uhrzeigersinn bei Dauerregen umrundeten. Danach sollte der Chiemsee folgen, aber bei den offenen Schleusen im dunklen Himmel gaben wir dem kleineren Simssee den Vorzug. Vom Nordufer liefen wir gleich wieder durchnässt der Uhr folgend an Uferwegen und weglos Bäche querend um den See – 14,9 km war Jin´s Messung – kürzer geht wohl nicht. Das reichte für heute, denn abends war ich zur Sportlerehrung nach Waldkraiburg geladen. Hier wurden u.a. wir Ultraläufer vom SV Schwindegg vom Landrat für unsere deutschen Meistertitel 2015 über 6 Std., 100 km und 24 Std. geehrt.

Samstag Morgen begann unsere Runde um den Starnberger See in Seeshaupt – wieder bei Dauerregen, aber entgegen des Uhrzeigesinns. Zurück am Auto, umgezogen und im Restaurant speisend, reichte es uns für heute, denn der Spaß war vorbei. Sonntag Morgen liefen wir zuerst von Murnau aus um den Staffelsee und dann von Schlehdorf aus um den Kochelsee – wieder der Uhr folgend – und verschoben wegen des Wetters dann die Walchensee-Runde auf irgendwann. Pfingstmontag stand der Ammersee auf dem nassen Outdoor-Programm – von Inning aus – wieder mal im Uhrzeigersinn, danach zuhause Waschen der durchnässten Laufkleidung und Schlemmen. Während ich am Dienstag wieder im Büro in München Pasing antrat, nutze Jin das Bayernticket nach Prien und gönnte sich zum Abschluss bei fast trockenem Wetter mit dem Chiemsee die längste Runde der Challenge, bevor er abends heim flog.

Fortsetzung folgt !

Zwischen zwei Urlauben Ende Mai und Ende Juni lief ich am 11. Juni bei den österr. Meisterschaften über 100 km in Wien mit und 1 Woche später beim bergigen Ulmer 100 km Nachtlauf (beide Male wurde ich 12. gesamt und gewann meine Altersklasse M 60). Nach dem 2. Urlaub wollte ich wieder ernsthafter trainieren und die BLC fortsetzen. So startete ich am 10. Juli morgens von der Mautstraße am Südostufer um den Walchensee und mittags von Gmund aus um den Tegernsee – jeweils gegen den Uhrzeigersinn und bei brütender Hitze. Am freien Montag an meinem 60. Geburtstag, dem 11. Juli, war nicht Wellness und Feiern angesagt, sondern gönnte ich mir zwangsweise wegen der Hitze gemütlich die lange Runde um den Chiemsee von Prien / Harras aus über Chieming und Breitbrunn.

Kurioses Finale ohne Endspurt !

Jetzt fehlte nur noch der Königssee (605 m NN) – der Schnee auf der Strecken in den Hochlagen war schon lange geschmolzen und die Berghütten hatten geöffnet. Zu meinem Finale brauchte ich einen wettersicheren freien Tag – und der fand sich am 20. Juli, Mittwoch. Leider fuhr ich erst spät los, stand im Stau, suchte in Schönau am erstaunlich belebten Nordufer einen freien Parkplatz und startete erst genau um 12 Uhr mittags in der Hitze. Unter der Jennerbahn durch und über den Wander- und dann Radelweg lief und wanderte ich zur Königsbachalm und weiter mit langen Gehpassagen an den Steilanstiegen hoch zur Gotzenalm (1.685 m). Bei einer kleinen Pause nach 1:50 Std. Anstrengung für die 1100 Höhenmeter gabs ein Bier und füllte mir die Hüttenwirtin meine drei Flaschen mit Trinkwasser auf.

Gotzenalm 1685 m

Zu lesen an einem Aushang an der Hütte war: Der Weg vom Landtal am Obersee entlang nach Sallet ist am 20./21.7. gesperrt. Also lief ich zuerst auf dem Reitweg abwärts, der zur Wasseralm führt, und nahm dann den Abstieg über den steilen Kaunersteig (recht schwierig mit Sicherungen und Holztreppen) nach Sallet zum Bootanleger am See in Angriff. Hier kam ich um 15 Uhr an und befand mich mitten im Trubel der Touristen aus aller Welt.

Sallet Bootsstation Rainers Ausrüstung bei Sallet mit Wiesel

Nichts wie weg ! Dabei fand ich dummerweise nicht den Trampelpfad von der Sallet-Alm via Kastl in Richtung St. Bartholomä (der war auch gar nicht auf meiner alten Karte verzeichnet) und stieg stattdessen in den steilen Sagerecksteig ein (recht schwierig mit Sicherungen und Holztreppen). Da mir eine Umkehr nach 30 Min. zu blöd erschien, kämpfte ich mich über 2 Std. hoch bis auf über 1.800 m NN und erreichte am Grünsee vorbei im Auf und Ab um 17.30 Uhr das Kärlingerhaus (1.640 m) oberhalb des Funtensees. Die Terrasse war voll mit Wanderern beim Essen und Trinken. Bei einer kleinen Pause gönnte ich mir ein Bier und ließ wieder meine Flaschen auffüllen. Denn Trinkwasser findet man in dieser Karstlandschaft unterwegs kaum oder gar nicht. Vor mir lagen laut Schilder noch an die 8 Wanderstunden, doch ich wollte ja möglichst oft laufen.

Zunächst galt es, den sehr langen Abstieg über die Saugassen-Serpentinen mit vielen losen Steinen hinab zum See zu meistern. Fast unten am  Wasserfall sah ich, wo der ca. 1,5 km lange Trampelpfad von der Sallet-Alm auf den Hauptweg einmündet – kaum erkennbar. Durch meinen unschlauen Umweg hatte ich ca. 20 km und 1.300 Hm in 4 Stunden zusätzlich in den Beinen. Dennoch lief es nun flott bis nach St. Bartholomä, das nach Abfahrt der letzten Boote gegen 18.30 Uhr ausgestorben war. 19.40 Uhr kam ich an der Wallfahrtskapelle an und fand zum Glück einen Brunnen mit der Angabe „Trinkwasser“. Also viel trinken und zum letzten Mal die Flaschen füllen – und wieder mit dem nun letzten Rest Isostar und Multivitamin-Traubenzucker aus meinem 0,2 Liter Vorrat  verdünnen ; zu essen hatte ich wie üblich nichts dabei.

Oben am Funtensee

Als ich dann in den 800 m hohen Rinnkendlsteig einstieg (recht schwierig mit Sicherungen und Holztreppen), kam ich nur noch langsam und mühsam hinauf, fotografierte den Sonnenuntergang und erreichte gegen Ende der Dämmerung um 21.30 Uhr gerade rechtzeitig die Kührointhütte (1.420 m). Da ich ja nur eine kürzere Umrundung vorsah, hatte ich als auch erfahrener vorausdenkender (?) Bergläufer keine Stirnlampe dabei. Folglich war kein Abstieg über den ca. 5 km langen steinigen dunklen Wanderweg durch den Wald mehr möglich. Mir blieb im Dunkeln nur ein riesiger Umweg auf der breiten Forstpiste mit hellem Schotter über Hammerstiel nach Hinterschönau und auf Fußgängerwegen über Ober- nach Schönau und zurück zum See, ca. 15 km, aber gut laufbar. Wirklich geschafft, aber zufrieden und stolz, dass alles doch gut lief, kam ich genau um 23 Uhr an meinem Auto an. Nach den 11 Stunden hatte ich über 56 km und 3.200 Höhenmeter rauf und runter hinter mir. Der Rekord für die Speed Umrundung ohne Umwege mit 35,7 bis 37 km je nach Messung hält wohl laut Web Stephan Tassani-Prell mit 4:54 Stunden.

Mein Resümé nach meiner 1. BLC :

Nach meiner Erfahrung hat es die Bergtour um den Königssee auch ohne meine Extratour zum Kärlingerhaus echt in sich, nicht nur wegen der Länge und Höhenunterschiede, sondern weil viele Passagen wegen der Steilheit rauf oder runter und vieler loser Steine etc. kaum laufbar sind. Die sehr schwierigen Kauner- und Sagereck-Steige kann ich ungeübten Bergläufern und –wandern nicht empfehlen. Dafür sollte lieber von der Gotenzalm oder dem Hochgeschirr (1.950 m) der Weg über die Wasseralm und hinab nach Sallet eingeschlagen werden. Um den schweren Rinnkendlsteig kommt man nicht herum. Wie Matthias zurecht empfohlen hat: sehr früh starten und am besten nicht allein unterwegs sein. Wer unten am See bei Sallet oder St. Bartholomä schwächelt oder keine Lust mehr hat, muss eines der letzten Boote bekommen, sonst sitzt man fest. Anfang Oktober fliegt mein Lauffreund Jin Cao wieder ein, läuft noch allein um den Walchensee und mit mir auf einer der empfohlenen Routen um den Königssee und steigt somit auch als BLC Finisher in die Hall of Fame auf. Für mich ist es vielleicht der Start zu meiner zweiten BLC.

Rainer in Sallet am Königssee

Nachtrag: Rainer hat den Königssee am 28.8.2016 noch einmal umrundet und schreibt dazu Folgendes:

Nach meiner Runde am 20. Juli mit dem Riesenumweg übers Kärlinger Haus war ich am 28. Aug. erneut unterwegs: via Gotzenalm und dann den Hangweg ins Seitental Richtung Hochgeschirr und steiler Steig hinab zum Talschluss und am Obersee vorbei zur Sallet.

Hinter der kleinen bewirtschafteten Alm am Wegweiser zum Steig zum Kärlinger Haus musste ich lange suchen, denn es fanden sich durch die vielen tiefen Tretspuren der überschweren Kühe keine Hinweise auf ein „Viehtriebsteig“ am Ufer entlang, dazu war die vermatschte Wiese auch durch Elektrodrahtzäune für die Kühe eingezäunt. Nach diesen Handicaps (keinen Schlag holen) folgte ich einem wohl sehr selten begangenen Pfad ein paar 100 m am Ufer entlang bis zu einem kleinen Bach. Dort fand ich Spuren sehr steil aufwärts und folgte ihnen 10 Min. lang – wohl Viehspuren, kein Pfad. Zum Glück drehte ich um und suchte unten hinter dem Bach weiter – und siehe da: kleine Steinmännchen und ein Pfad, der nun zunehmend steil bergan führte, auch in Serpentinen. Da darf man aus Versehen keinen Viehspuren folgen und sich verirren.

Es geht recht weit nach oben, bevor es kurz runter auf das Flachstück des Hauptweges von der Saugasse nach St. Bartholomä geht. Vom Hauptweg aus kann man kaum erkennen, dass da ein schmaler Pfad nach Sallet abzweigt (kein Schild). Das geht nur, wenn man sich wie ich den Abzweig genau einprägt (von St. B. aus: ein markanter dreistämmiger Baum am flachen Weg, dann so 50 m weiter und links auf die Spuren zum Pfad – dort entdeckt man auch ein kleines Steinmännchen).  Weiter auf dem Hauptweg abwärts kommt man zum Wasserfall. Dort führt ein Pfad über die Natursteinbrücke weiter oberhalb vom Ufer … mangels Zeit hab ich den nicht mehr weiter erkundet – vielleicht ne Abkürzung in Richtung Sallet oder bald Dead End an einem versteckten Badeplatz ? Da such ich mal am 8. Okt., wenn ich mit dem chines. Freund seine Challenge beenden will. Dann laufen wir aber entgegen des Uhrzeigersinnes via Kühroint, St. B.,  Sallet, Gotzenalm …

 

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